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...soweit die Beine tragen

Fall:
Shetlandpony, 24 Jahre, Wallach, ist vor etwa eineinhalb Monaten während eines Ausrittes beim Galopp bergaufwärts mit der Hinterhand weggerutscht und gestürzt.
Die Reiterin war unversehrt wieder aufgestanden, aber das Pony hielt sein linkes Hinterbein in die Höhe. Er wurde nach Hause geführt, und auf der Strecke nahm die Lahmheit wieder ab, verschwand jedoch nicht ganz. Seit diesem Zeitpunkt kam es immer wieder vor, dass er das Hinterbein nach dem Hufe auskratzen nicht mehr abstellen wollte, oder während dem Laufen plötzlich dieses Bein hochhielt und nicht weiterlief.
 
Was bei der Befundaufnahme besonders auffiel, waren extreme Bockhufe auf allen Vieren: Die Vorderwand war nahezu parallel zu den Trachten!
Eigentlich ist es mir ein Rätsel, wie dieses Pony mit diesen Füßen jahrelang lahmfrei gelaufen ist. Bei der weiteren Untersuchung wurde klar, dass das Pony grundsätzlich bereits eine stark reduzierte Beweglichkeit im Bereich des Beckens und des Kreuzbeins hatte. Aber auch die restliche Wirbelsäule musste ihm weh tun. Die Schultern standen aufgrund der Bockhufe viel zu steil. Die Folge davon waren rotierte Wirbel im Bereich des Widerristes. Zudem hielt er beim Laufen den Schweif dauerhaft schief, und wir hatten „Glück“. Während der Untersuchung passierte es wieder, dass das Pony plötzlich sein Bein hochhielt und nicht weiter gehen mochte. Seine Kniescheibe hatte sich verschoben, und er konnte das Bein nicht einfach wieder absetzen, denn diese blockierte die Bewegung des Beines.
Mit ein paar Grifftechniken wurde dies wieder gerichtet, sodass er weiterlief. Die Muskeln rund um das Knie waren extrem verspannt und wurden massiert, damit die muskuläre Spannung, welche die immer wiederkehrende Problematik der verschobenen Kniescheibe bedingte, nachließ.
 
Bei kleinen Pferden wie Shetlandponys besteht häufiger das Problem, dass das Skelett eigentlich zu klein ist für die Kniescheibe. Das bedeutet, sie ist eigentlich zu groß für das Kniegelenk und hat keinen rechten Halt – sie „springt hinaus“.
 
Das Pony selbst hatte aber sein Leben lang keinerlei Anzeichen für diesen Umstand gezeigt, zumindest nicht, soweit sich die Besitzerin erinnern konnte. Ein guter Grund also, um der Besitzerin zu zeigen, wie sie selbst massieren kann, um die Muskulatur im lockeren Zustand zu halten. Ein verspannter Muskeln bringt Zug auf die Punkte, an denen er ansetzt, und hat in diesem Fall die Verschiebung der Kniescheibe ausgelöst. Gleichzeitig wurde die Kruppen-muskulatur gelockert, um dem Pony die Bewegung erleichtern zu können.
 
Dies konnte im ersten Zug aber wirklich nur eine Erleichterung sein. Die extreme Fehlstellung der Hufe musste dringend behoben werden, ehe sich ein dauerhafter Behandlungserfolg einstellen konnte! Da derjenige, der die Hufe bisher gemacht hatte, der Meinung war, dass man solch große Fehlstellungen nicht mehr ändern kann und sollte, wechselte die Besitzerin zu einem anderen Hufpfleger, der sich die Korrektur zutraute und sehr gewissenhaft durchführte.
 
Während dieser Zeit wurde das Pony mit weiteren Behandlungen begleitet. Das Hauptaugen-merk lag zu dieser Zeit auf dem Lendenwirbelsäulen- und Beckenbereich. Schon bald hielt es den Schweif die meiste Zeit gerade, und die Kniescheibe verschob sich immer weniger. Als dem Pony die Hufe in der richtigen Stellung hatte, standen die Schulterblätter im korrekten Winkel. Endlich drückten sie nicht mehr auf die Brustwirbel, sondern hatten eine Stellung, die für die gesamte Statik des Pferdes deutlich gesünder ist!
 
Da diese Fehlstellung über Jahre so bestanden hatte, lösten sich die Blockaden nicht „von alleine“, sondern bedurften weiteren Behandlungen. Die muskulären Strukturen im Schulterbereich wurden behandelt, und die Brustwirbel richteten sich. Auch das Becken, welches aufgrund der zu steil stehenden Hufe nach vorne gekippt war, richtete sich während der Hufumstellung und der nachfolgenden Behandlungen in die korrekte Position auf.
Die übermäßige Spannung, die sich in den Muskeln der Hinterhand immer wieder aufbaute, ließ nach. Der ungesunde Zug auf die Kniescheibe hörte auf. Über kurz oder lang hätte dieses Pony
Probleme im Bewegungsapparat bekommen, auch ohne den Sturz. Aber für diesen Moment war der Unfall der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte und zum Handeln aufforderte.
 
Nun endlich hatte das kleine Pony die Chance eine Körperhaltung zu bekommen, die natürlich war, und so konnte man durch die Behandlungen wunderbar seine körperlichen Blockaden überwinden.
 
Es war toll zu sehen, wie das Pony aufblühte, die Schmerzanzeichen in seinem Gesicht nachließen und er ein ganz fröhliches, überhaupt nicht mehr müdes Pony wurde!

...ohne Huf kein Pferd ...von der Hand in den Mund